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Cubicularium - Werke von Chris Popović

Ein - in der bildenden Kunst - eher ungewöhnlicher Themenkomplex zieht sich seit vielen Jahren wie ein roter Faden durch das Werk von Chris Popović: Das Bett beziehungsweise die Schlafgelegenheit, der Schlafraum. Der Name der Bild-Serie „cubicularium“ ist eine Wortbildung der Künstlerin, die sich an das lateinische Wort „cubiculum“ anlehnt, was soviel wie Schlafzimmer meint. Der Begriff hat aber noch eine weitere - allerdings nicht belegte sondern nur sprachwissenschaftlich erschlossene – Bedeutung, die sich auf den großen Bruder des Schlafes bezieht: „Cubiculum“ kann nämlich auch mit Grabkammer oder Kapelle übersetzt werden, und man kann damit auch den von Heinrich Heine geprägten Begriff der „Matratzengruft“ assoziieren. Dem Thema „Schlafgelegenheit“ widmet sich die Künstlerin seit 1997. Aus alten, gemusterten Matratzenstoffen entstanden zunächst Collagen, hier spielte also nicht nur die erfundene, sondern auch die gefundene Form eine zentrale Rolle. Seit dem Jahr 2001 arbeitet Chris Popović in ihrer Serie „cubicularium“ mit einer langwierigen Lasurtechnik, in der die Ölfarbe in vielen einzelnen Schichten aufgetragen wird. Auch in der Malerei ist die Künstlerin nicht an neuen, modernen Matratzen interessiert. Bildwürdig wurden wieder diese alten, Rücken unfreundlichen, 3-teiligen Modelle, die es früher in vielen Farben und Mustern gegeben hat. Sie erinnern uns an eine Zeit, in der man nicht selten auf der selben Matratze starb, auf der man auch geboren wurde.

In der Serie „cubicularium“ passieren nun aber über Inhaltliches weit hinausgehende Dinge - es geht um Verfremdung und Verwandlung. Den überscharf festgehaltenen Blumenornamenten haftet etwas Magisches an. Mit wissenschaftlicher Akribie werden alle Details wiedergegeben, es wird das Verhältnis der Motive zueinander beobachtet, ihre Erscheinungsweise im Raum, ihre Stofflichkeit und ihr Verhalten unter dem Einfluss von Licht und Schatten erkundet. Doch so realistisch sie dargestellt sind - diese Matratzen entziehen sich dem schnellen Zugriff unserer Augen. Das Vertraute verwandelt sich in eine Welt, die sich dem Betrachter verweigert. Man beginnt es zu ahnen: Das was wir betrachten, ist nicht das was wir sehen. Und was wir sehen, ist nicht das was wir betrachten. Mehr und mehr schließt sich der Gegenstand vom Beschauer ab, und je länger wir die blau-weiß gemusterten Stoffe ansehen, desto weniger glauben wir an ihre Existenz. Was also sehen wir? Sind es wirklich „nur“ Matrazen? Ohne den Gegenstand zu eliminieren, führt Chris Popović hier eine absolut autonome Malerei vor. Das Bild steht für sich selbst, es zeugt von einer Realität außerhalb des Raumes, aus dem wir es betrachten. Es zeigt alleine eine Wirklichkeit: Die der Malerei.
Dr. Antje Lechleiter

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