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Topologie der Endstation. In: Mensch und Natur. UNIART. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, S.23-24. Fotos: S.50-51.

Während der verschiedenen Rundgänge durch das Gebäude entwickelte Chris Popović aufgrund des komplexen Forschungsgebiets der Fakultät für Forst- und Umweltwissenschaften, das ihr zunehmend bewusst wurde, ihr Konzept von der Installation „Topologie der Endstation“. Diese besteht aus einem Metallgestell über einem quadratischen Grundriss, von dem Streifen herabhängen, die aus Landkarten geschnitten sind, wie sie in Schulen gebräuchlich sind, und aus zwei identisch großen, niedrigen Blechwannen. In der einen befinden sich Rinderhörner, in der anderen gleich große quaderförmige Kunststoffschwämme. Auf der Suche nach einem geeigneten Platz entschloss sich Chris Popović für einen Raum im mittleren Zwischenflügel des Herder-Verlags-Gebäudes. Dieser erwies sich aus mehreren Gründen als eine glückliche Wahl. Denn es handelt sich bei diesem Ort um eine Baustelle, an der zur Zeit nicht weiter gearbeitet wird. Trennwände, die den Gang gegenüber Räumen abschließen, fehlen noch, so dass der Raum von den Fenstern sowohl auf der Nord- als auch auf der Südseite mit Tageslicht erhellt wird. Chris Popović ordnete die drei Objekte ihrer Installation auf einer Achse an, die die Richtung des Ganges im rechten Winkel kreuzt, auf der Südseite die beiden Wannen, auf der Nordseite das Eisengestell. Der strengen axialen Ausrich tung und den klaren stereometrischen Formen von Gestell und Wannen ent-spricht das stereotype Ordnungsprinzip des Rasters, das in allen drei Objekten zur Geltung kommt: die gleich langen und breiten Landkartenstreifen in ebenfalls gleich großen Abständen mit jeweils sechs Streifen, hintereinander in neun Reihen gestaffelt; fünf Reihen mit je sechs identisch großen Schwämmen und zehn Reihen mit jeweils zehn Rinderhörnern. Der Kontrast zum Ambiente der Baustelle, deren Zustand an einen Rohbau denken lässt, vermag den Eindruck von Exaktheit und Stereotypie zu intensivieren. Selbst die Hörner mit ihren unterschiedlichen individuellen Ausprägungen, ihrer blanken glatten Oberfläche und als dem einzigen natürlichen Element der Installation bilden mit ihrer glatten Oberfläche im Gegensatz zu den nur teilweise verputzten Wänden und den rauen Brettern und Holzplanken den denkbar größten Gegensatz.

Das Raster als durchgängiges Ordnungsprinzip dient Chris Popović als Metapher für die Folgen menschlichen Eingriffs in die Natur. So wird das Rind unter dem Aspekt des Nutztieres gesehen, dessen Endstation der Schlachthof ist, wobei unwillkürlich die Assoziation Schlachtfeld hervorgerufen wird. Weist die stereotype Reihung nicht das typische Erscheinungsbild von Gefallenenfriedhöfen auf?! Nicht zufälligerweise sind die Hörner in Graberde gestellt. Erwähnt werden sollte, dass Chris Popović die Hörner in mühsamer und langwieriger Arbeit so zugesägt hat, dass der Eindruck des Stehens hervorgerufen wird. Die Schwämme ihrerseits rufen mehrere Assoziationen hervor, von Ziegelsteinen etwa, von Kasernen, Lagern oder von Neubausiedlungen von monotoner Gleichförmigkeit und somit vom Zersiedeln und Versiegeln der Landschaft und der Erde. Eingriff in die Natur kommt hier einem Würgegriff gleich, der Schaden verursacht, den zu beheben nicht nur die gegenwärtige Generation genötigt sein wird. Dieselbe Thematik verfolgt die Künstlerin mit ihrem Kartengestell, wobei sie sich des Zeichensystems der Kartografie bedient. Ein weit- erer Aspekt kommt hinzu, jener der Verkehrswege und –netze auf Schiene, Straße und Wasser, bzw. Kanälen mit allen Implikationen. In den vorderen Reihen des Gestells ist die nähere und weitere Umgebung von Freiburg in den Kartenfragmenten vertreten. Die angesproch enen Probleme können hier an einzelnen konkreten Erfahrungen und Informationen veri fiziert werden. Das trifft für die weiter hinten angebrachten Reihen nicht zu, für die Chris Popović Karten der nördlichen Gegenden der Bundesrepublik und südlichere des europäischen Auslandes verwendet hat. Da die Landkarten von ein und demselben Verlag stammen, also ihr Erscheinungsbild zum Verwechseln ähnlich ist, wird man sozusagen automatisch eigene Kenntnisse von Problemen auf den gesamten Globus übertragen. Sicherlich sind wir aufgrund einer rasanten weltweiten Kommunikation heute bestens informiert, es ist aber etwas Anderes, sich aus der Perspektive der Kunst die anstehen den Fragen neu zu stellen.

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